Weihnachten – das bedeutet beim Hamburg Ballett alljährlich „Nussknacker“-Zeit. So auch in diesem Jahr. Für elf Vorstellungen in teilweise vier verschiedenen Besetzungen kehrte das 1974 in Hamburg erstmals aufgeführte Ballett in der Choreografie von John Neumeier auf die Bühne der Staatsoper zurück.
Eigentlich war es geplant gewesen, die Vorstellungen Anfang Januar zu filmen und auf DVD herauszubringen. Es wäre wunderbar gewesen, dieses Neumeier-Werk für die Ewigkeit zu Hause abrufbar zu haben. Leider wurde dieses Vorhaben verworfen, was sehr schade ist.
Neben altbekannten Besetzungen wie Olivia Betteridge und Ana Tarroquebrada als Marie, Alessandro Frola und Alexandre Riabko als Drosselmeier, Christopher Evans und Alexandr Trusch als Günther oder Anna Laudere und Madoka Sugai als Louise gab es in diesem Winter mehrere Rollendebüts in den verschiedenen Rollen. Die ehemalige Gruppentänzerin Futaba Ishizaki, die bis 2016 im Ensemble war und dann über das Houston Ballet, das Ungarische Staatsballett und dem Ballett am Rhein mit Demis Volpi als Solistin nach Hamburg zurückgekehrt ist, tanzte erstmals die Louise. Futaba verfügt über eine hervorragende Technik, die für die Rolle der Louise unerlässlich ist. So verzauberte sie ganz besonders in ihren Solos und im Grand Pas de deux im 2. Akt. Die noch sehr junge Lormaigne Bockmühl debütierte als Marie. Bewundern konnte man sie schon in Solos in den Balletten „Jane Eyre“, „Slow Burn“ und „Adagio“ von Pina Bausch. Lormaigne wirkt dabei tatsächlich sehr mädchenhaft, die Rolle der erst zwölfjährigen Marie ist mit ihr absolut glaubwürdig besetzt. Sie muss nicht nur hervorragend tanzen, sondern auch schauspielerisches Talent zeigen. Das alles ist kein Problem für sie, sie meistert die Partie mit absoluter Brillanz. Man darf gespannt sein, was wir von ihr in Zukunft zu sehen bekommen werden.
Maries Bruder Fritz wurde neben Louis Musin und Francesco Cortese zum ersten Mal auch von Joao Santana getanzt. Der junge Brasilianer kam nach seinem Engagement im Bundesjugendballett 2023 in die Compagnie. Hier hat er auch schon die Rolle des Telemachos in der Odyssee interpretiert. Seine Debütvorstellung war von einer Umbesetzung geprägt, einer der beiden anderen Kadetten, mit denen er im zweiten Akt tanzt, musste kurzfristig wegen eines Krankheitsfalls umbesetzt werden. Aber Santana meisterte dies spontan und professionell.
Nicht unerwähnt bleiben sollen die beiden Drosselmeier-Debüts. Bereits am Weihnachtstag zeigte uns Matias Oberlin mit der ihm eigenen Eleganz und Spielfreude, wie er den Drosselmeier interpretiert. Großgewachsen, wie er ist, ist er ein majestätischer Drosselmeier, eine Respektsfigur. Das zweite Debüt in dieser Rolle gab der aus Düsseldorf nach Hamburg gewechselte neue Solist Daniele Bonelli. Der aus Italien stammende Tänzer, der hier bereits in „Adagio“, in „Jane Eyre“, in „Slow Burn“ und im Barré-Project zu sehen war, hat eine besondere Ausstrahlung und eine tolle Bühnenpräsenz. Die schauspielerische Seite seiner Rolle meisterte er hervorragend, und auch technisch hatte er keine Schwierigkeiten, die anspruchsvolle Partie zu bewältigen. Beide müssen den Vergleich zu früheren Drosselmeier-Tänzern nicht fürchten.
Ich persönlich hoffe sehr, dass uns diese sehr schöne, kurzweilige Inszenierung auch in den kommenden Jahren erhalten bleibt. Es ist immer wieder höchst spannend, wie neue Tänzergenerationen dieses alte Werk am Leben erhalten.
[Timm Berkefeld]