Werkstatt der Kreativität XV vom 3. bis 9. März im Ernst Deutsch Theater

Zum „Vertrauen in den Prozess“ bekennen sich 23 kreative Absolventinnen und Absolventen der Theaterklassen aus der Ballettschule des Hamburg Ballett. Drei von ihnen stellen sich dem Publikum vor Beginn der Aufführung persönlich vor, stellvertretend für die gesamte Gruppe. Dieses Vertrauen scheint sie zu einen, selbst wenn es sicher einige unter ihnen gegeben hat, die von dieser obligatorischen Aufgabe aus dem Kompositionsunterricht nicht von Anfang an begeistert waren. Doch ganz offenbar gelingt es Stacey Denham – Pädagogin der Fächer Moderner Tanz und Tanzkomposition –, den Studierenden Mut zu machen, ihre individuellen Ideen umzusetzen.

Es ist immerhin schon die 15. Ausgabe dieser Werkschau – und sie zieht nach wie vor ein interessiertes und inzwischen fachkundiges Publikum an. Beispielhaft möchte ich hier auf einige eingehen.

Mit Pinsel im Haar und im weißen Kittel tritt eine Malerin auf; sie beginnt, die leere Leinwand auf einer Staffelei mit Farben zu füllen. Zeitgleich füllt sich der Bühnenraum mit sieben Tanzenden, gekleidet in sieben unterschiedlichen Farben. Nach einer Weile gesellt sich die Malerin zu ihren tanzenden Farben. José Abílio Neri Avelars Titel „Godê“ meint ein Töpfchen zum Farben mischen.

Wie in den Jahren zuvor auch, veröffentlicht das Programmheft zu jedem Werk ein kurzes Statement der Kreativen. Ji Wei Sui thematisiert im Solo „Flaming“ – das für den „Young Creation Award“ entstand – einen Prozess, der sich vom schwachen Glühen zur lodernden Flamme entwickelt. Der angehende Tänzer aus China kreierte noch ein zweites Stück für diese Werkstatt: „Bird“ erzählt als faszinierendes Pas de deux von der Sehnsucht nach Freiheit, wie sie Menschen im Vergleich zu einem Vogel nie werden erreichen können.

Beatrice Carmans choreografierte für sechs KollegInnen „The Unknown“: Das Unbekannte kommt in Gestalt eines großen, pinkfarbenen Briefumschlags daher und verursacht Gefühle zwischen unbändiger Neugier und Angst vor der Nachricht, die er enthalten kann. Witziges Detail: Die in schwarz gekleideten TänzerInnen tragen passend zum zentralen Requisit pinkfarbene Socken.

Das italienische Wort „Viola“ meint eine Farbe, eine Blume, ein Musikinstrument und ist gleichzeitig ein weiblicher Vorname; um diese Bedeutungen kreist Joseph Sebastianis Solo für einen Kollegen.

Heidi Stoll erzählt in ihrem „Forgotten Dress“ eine kleine Geschichte von einem abgelegten Kleid, das bei der Besitzerin angenehme Erinnerungen weckt, als sie es nach langer Zeit wieder anzieht. Die junge Choreografin wählt dazu passenderweise nostalgische Musik: „Mon Dieu“ von Edith Piaf.

Ungewöhnlich auch die Musikwahl von Emily Fortuin für ihr „Why don’t you realise?“ Den Titel entnahm sie einer Zeile aus „Vienna“ von Billy Joel aus dem Jahr 1977, der vor „Bridge Over Troubled Water“ von Simon & Garfunkel erklingt – beide Songs verbreiten ähnliche Gänsehaut-Stimmung.

Poetisch, kritisch, politisch, philosophisch – verschiedenste Facetten sind in den Frühwerken der zukünftigen Tänzergeneration zu entdecken.

Dagmar Ellen Fischer