Dem jungen choreografischen Nachwuchstalent John Neumeier machte August Everding, Intendant der Hamburgischen Staatsoper, zu Beginn der 70er Jahre ein interessantes Angebot: Ballettdirektor und Chefchoreograf in Hamburg zu werden. Obwohl ihm damalige Freunde abrieten (Hans Werner Henze sagte seinerzeit: „Bleib in Frankfurt, die Leute werden zu dir kommen“), riskierte John Neumeier den entscheidenden Schritt. Seit 1973 leitet er das Hamburg Ballett, er machte es zu einer international renommierten Compagnie.
Mit dem neuen Ballettdirektor kam auch ein neues Publikum. Eines, dem es schon bald nicht mehr reichte, nur Ballettvorstellungen anzuschauen. Aus dem Interesse für die Tanzkunst, das Neumeier nicht zuletzt durch die Ballett-Werkstätten bei seinen Zuschauern zu wecken wusste, entstand das Bedürfnis, sich über das Gesehene auszutauschen. So kam es zunächst zu privaten Treffen und Gesprächsrunden einiger Interessierter, im Dezember 1976 dann zur Gründung eines Vereins, der im Juli 1980 unter dem Namen „Kreis Hamburger Ballettfreunde“ in das Vereinsregister eingetragen wurde; seit 2001 nennt er sich „Ballettfreunde Hamburg“.
Vor allem durch Mundpropaganda, aber auch durch Zeitungsannoncen, wurden weitere Mitglieder geworben. Die gemeinsame Zielsetzung, die Kunst des Tanzes bekannter zu machen und sie möglichst umfassend zu fördern, motivierte die Mitglieder zu neuen Aktivitäten. Aus der Idee, zur Uraufführung von John Neumeiers „Josephs Legende“ 1977 nach Wien zu reisen, entwickelten sich sehr bald regelmäßige Ballettreisen; Premieren oder andere interessante Vorstellungen führten die Ballettfreunde im Laufe der Jahre in fast jede Tanzmetropole der Welt: Zu Béjart nach Brüssel, zum New York City Ballet und in das Marijinsky Theater nach St. Petersburg, um einige Beispiele zu nennen. Vorträge, Filmvorführungen und Workshops erweiterten das Angebot und bereicherten nicht nur das Vereinsleben, sondern auch die Alltagskultur in Hamburg. Besonders die Künstlergespräche stießen auf reges Interesse, hier wurden Persönlichkeiten, die man von der Bühne kannte, zu öffentlichen Gesprächen eingeladen; vor allem Solisten des Hamburg Ballett, aber auch der Dirigent Günther Jena, die Tänzerin Judith Jamison oder der schwedische Choreograf Mats Ek waren Gäste vor einem interessierten Publikum. Der deutsche Tänzer und Choreograf Marcel Luipart wurde beispielsweise eingeladen, um über sein Ballett „Abraxas“ zu sprechen, das 1947 großes Aufsehen erregte. Das Interesse des Vereins gilt folglich der Tanzgeschichte ebenso wie der Gegenwart und der Zukunft des Balletts – und die Zukunft verkörpern natürlich angehende Tänzer. Mitglieder und andere Ballettbegeisterte helfen der Sache. Sie spenden für das „Erika-Milee-Stipendium“, und aus den Mitgliedsbeiträgen ergeben sich beträchtliche Förderbeträge zu Gunsten des „Ballettzentrum Hamburg – John Neumeier“. Die Stipendien werden alljährlich auf Empfehlung von John Neumeier vergeben.
[Dagmar Fischer]