„Floating Spaces“ mit dem Hamburger Kammerballett

Das Hamburger Kammerballett hat ein neues Programm mit Choreografien von Edvin Revazov
erarbeitet: „Floating Spaces“ („Schwebende Räume“). Der Abend wurde vom Publikum in der
Halle K 1 auf Kampnagel begeistert aufgenommen.
Zu Beginn schrauben sich schwarz gekleidete Gestalten aus einer dichten Nebeldecke am Boden
in die Höhe, mal langsam und bedrohlich, mal überraschend schnell im Sprung. Die „Schwebenden
Räume“ des Titels entstehen einerseits durch den vermehrten Einsatz von Nebelschwaden, so
dass die Tänzerinnen und Tänzer scheinbar die Bodenhaftung verlieren. Doch auch die großartige
Musik verleiht den Bewegungen Flügel: Überliefert aus dem 17. Jahrhundert, erklingt sie live als
ein ungewöhnlicher Dialog zwischen Piano (Michał Białk) und E-Gitarre (Tomasz Gos), die beide
wiederum mit den Tanzenden kommunizieren. In vielen kurzen Szenen entstehen
unterschiedlichste Konstellationen der Akteure. So treffen beispielsweise ängstliche, gebückte
Kreaturen, die ihr Gesicht hinter einer Maske verbergen, auf eine neugierige Frau; diese stört,
indem sie sich eine Maske aneignet. Auch in anderen Begegnungen gibt es gesichtslose Wesen,
so ist beispielsweise nur ein schwarzes Tuch anstelle des Gesichts unter einem Hut sichtbar.
Inspiriert wurden diese Wesen vom japanischen „No-Face“, einer „Verkörperung des menschlichen
Geists in seiner ursprünglichsten Form“, wie im Programmheft verraten wird.
Ein Paar vermittelt seine Beziehung durch ungewohnte Positionen zueinander: Sie wird, mit
Ausnahme ihres Kopfes, vollständig von seinem Mantel bedeckt, wenig später tanzen nur die
beiden Köpfe neben- und miteinander. Besonders spannend werden Soundeffekte eingesetzt:
Mikrofone, die an den tanzenden Körpern kleben, erzeugen bei dem Flattern einer Hand oder einer
große Armgeste zeitgleich das perfekt passende, weil durch die Bewegung initiierte Geräusch.
Edvin Revazov, Erster Solist in John Neumeiers Hamburg Ballett, arbeitet schon seit Jahren
erfolgreich auch als Choreograf. 2022 gründete der gebürtige Ukrainer das Hamburger
Kammerballett, um vor dem Krieg geflüchteten TänzerInnen aus seiner Heimat eine berufliche
Perspektive in Hamburg zu geben. Bei diesem dritten Abend ergänzen Alexandre Riabko und
Nicolas Gläsmann vom Hamburg Ballett die junge Truppe. 70 Minuten Tanz, der berührt.
Dagmar Ellen Fischer